Überdruck und Absolutdruck

In der Dampfkesseltechnik ist es üblich alle Druckangaben als relativen Überdruck zum Atmosphären­druck von 1 bar anzugeben. Die Einheit [bar] bzw. [barg] wird an diesen Stellen verwendet.

Die Umrechnung von Überdruck zum Absolutdruck entspricht also:

 
Berechnung

Umrechnung vom Überdruck zum Absolutdruck

pabsolut = p + 1,01325 bar

Information

Normzustand und Standardzustand

Normzustand (nach DIN 1343):
pn = 101 325 Pa = 1,01325 bar = 1 atm
Tn = 273,15 K = 0 °C

Standardzustand (STP, IUPAC):
p° = 100 000 Pa = 1,0 bar
T° = 273,15 K = 0 °C

Standard­umgebungszustand (SATP, IUPAC):
p° = 100 000 Pa = 1,0 bar
T° = 298,15 K = 25 °C

Mittlerer Betriebsüberdruck

Der Betriebsüberdruck einer Kesselanlage ist kein konstanter Wert, sondern schwankt um den mittleren Betriebsüberdruck pm. Dies resultiert aus der Tatsache, dass der Betriebsüberdruck im Dampfkessel als Eingangsgröße für die Leistungsregelung der Dampfkesselanlage verwendet wird und somit immer einer Schwankungsbreite von ungefähr ±10 % des als Sollwert eingestellten mittleren Betriebsüberdrucks unterliegt.

Darstellung des zeitlichen Druckverlaufs (Kesselsteuerung BCO)

Darstellung des zeitlichen Druckverlaufs (Kesselsteuerung BCO)

Voraussetzungen zur Ermittlung des mittleren Betriebsüberdrucks

Zur Ermittlung des benötigten mittleren Betriebsüberdrucks pm müssen folgende Aspekte berücksichtigt werden:

  • Benötigtes Druck-/Temperaturniveau an den Dampfverbrauchern
    Um den mittleren Betriebsüberdruck pm festzulegen, muss das benötigte Druck- bzw. Temperatur­niveau der Dampfverbraucher bestimmt werden. Für die Auslegung des mittleren Betriebsüberdrucks der Dampfkesselanlage ist das maximale Druckniveau pmax,V bei den Verbrauchern heranzuziehen.
    Über die Koppelung des Siededrucks mit der Temperatur kann aus der Dampftafel das benötigte Druckniveau der Verbraucher bei bekannter Aufheiz­temperatur ermittelt werden.


Info zu Druck und Temperatur

 
Berechnung

Maximal benötigter Druck und Temperatur am Verbraucher

pmax,V = ps (Tmax,V)

 

pmax,V

Maximal benötigter Druck am Verbraucher

ps(Tmax,V)

Siededruck bei der maximal benötigten Temperatur

Tmax,V

Maximal benötigte Temperatur am Verbraucher

  • Druckverluste

    Zusätzlich müssen die Druckverluste in der Dampfleitung zwischen Dampfkessel und Verbraucher, die Druckverluste von Armaturen in der Dampfleitung und die Druckverluste von eventuell vorhandenen Druckreduzierstationen berücksichtigt werden.

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Info zu Druckverlust


Liegen die Druckniveaus bei den Verbrauchern sehr weit auseinander (> 3 bar) oder wird an den Ver­brauchern ein konstanter Dampfdruck benötigt mit kleinerer Schwankungsbreite, als durch die Leistungs­regelung am Dampfkessel erfolgen kann, sollte der Dampfdruck an den Verbrau­chern über Druck­reduzierstationen zwischen Dampfkessel und den Verbrauchern eingestellt werden. Durch den Einbau von Druckreduzierstationen wird auch die Trennung der Regelkreise für die Last­regelung am Dampfkessel und die Druckregelung am Verbraucher realisiert.

Ermittlung des mittleren Betriebsüberdrucks

Der mittlere Betriebsüberdruck pm des Dampfkessels ermittelt sich unter Berücksichtigung der maximalen Regelabweichung wie folgt:

Berechnung

Formel zur Ermittlung des mittleren Betriebsüberdrucks

Beispielrechnung zur Ermittlung des mittleren Betriebsüberdrucks

pm = ( + + )[bar] ⋅ ( 83 %75 % ) = 16,6 [bar] ≈ 17 [bar]
 

pm

Mittlerer Betriebsüberdruck [bar]

pmax, V

Maximal benötigter Druck am Verbraucher [bar]

ΔpL

Druckverluste in der Rohrleitung [bar]

ΔpA

Druckverluste von Armaturen und Reduzierstationen [bar]

75 %-Punkte

Unteres Regelniveau für die Leistungsregelung bezogen auf den maximal zulässigen Druck des Kessels

83 %-Punkte

Mittleres Regelniveau für die Leistungsregelung bezogen auf den maximal zulässigen Druck des Kessels

Einstellen und Verändern des mittleren Betriebsüberdrucks

Der mittlere Betriebsüberdruck pm der Dampfkesselanlage kann bei der Inbetriebnahme und während des Betriebs der Anlage am Bedienpanel des Kesselsteuerschranks eingestellt oder von der Leittechnik vorgegeben werden.

Information

Sicherheiten bei der Auslegung

An dieser Stelle der Auslegung empfiehlt es sich, ohne Sicherheiten zu arbeiten, da die tatsächlichen Betriebsbedingungen wiedergegeben werden sollen.

Zu hoch angegebene mittlere Betriebsüberdrücke können aufgrund der höheren Dichte des Sattdampfs unter anderem dazu führen, dass Dampfarmaturen und Dampfleitungen zu klein dimensioniert werden.

Sollen Sicherheiten für die Auslegung beim Druck berücksichtigt werden, so kann dies bei der Festlegung des maximal zulässigen Betriebsüberdrucks erfolgen.

Abgesenkter Betriebsüberdruck

Aus Energieeffizienzgründen sollte der Betriebsüberdruck nicht höher als nötig eingestellt werden. Ein typischer Anwendungsfall eines abgesenkten Betriebsüberdrucks ist der Wochenendbetrieb zur Verringerung der Abstrahlverluste des Kessels.

Jedoch kann der Betriebsüberdruck nicht beliebig reduziert werden. Wird der Betriebsüberdruck zu stark reduziert, kann dies zu folgenden negativen Auswirkungen führen:

  • Die Pumpen können bei unzureichender Eindrosselung kavitieren.
  • Die Pumpen können in einem instabilen Bereich des Kennfelds laufen.
  • Die Pumpen können mit einem geringeren Pumpenwirkungs­grad laufen.

Hohe Dampf­geschwindigkeiten, die durch die verringerte Dichte entstehen, können ebenfalls zu negativen Auswirkungen führen:

  • Erosionen an Armaturen und Rohrbögen
  • Starke Strömungsgeräusche
  • Vermehrter Tröpfchenmitriss aus dem Dampfkessel

In der Werks­einstellung wird der minimal zulässige Betriebsüberdruck deshalb auf die Hälfte des projektierten Betriebsüberdrucks begrenzt.

Der minimale mittlere Betriebsüberdruck einer Hoch­druckdampfkessel­anlage sollte 5 bar nicht unterschreiten, da aufgrund des größeren spezifischen Volumens des Dampfes bei kleinerem Druck die Dampfentnahme­armaturen und die Dampfleitungen sehr groß dimensioniert werden müssen.

Maximal zulässiger Betriebsüberdruck

Der maximal zulässige Betriebsüberdruck eines Kessels ist der durch die Konstruktion und die Festigkeit der eingesetzten Materialien des Kessels bedingte Überdruck.

Diese Angabe befindet sich auf dem Herstellerschild des Kessels, in der mitgelieferten Dokumentation und in den Abnahmeunterlagen. Der Überdruck muss durch ein Sicherheits­ventil am Dampfkessel be­grenzt werden. Das Sicherheits­ventil öffnet beim Erreichen des maximal zulässigen Druckes, um einen weiteren Druckanstieg im Kessel­körper zu verhindern. Nachdem das Sicherheits­ventil angesprochen hat, schließt es bei einer Druckreduzierung im Kessel wieder.

Damit die Funktion des Sicherheits­ventils zuverlässig gegeben ist, das Ventil während des Betriebs nicht anspricht oder undicht wird, werden die Drücke im Dampfkessel folgendermaßen abgestuft.

 
Berechnung

Abstufung der Betriebsüberdrücke (prozentual vom maximal zulässigen Betriebsüberdruck)

Art des Drucks

Formel

Wert

Einheit

Maximal zulässiger Betriebsüber­druck (Absicherungsdruck/Sicherheits­ventilansprech­druck)

pmax,zul = pSIV ≙ 100 %

24,1

[bar]

Druckbegrenzer

pDB ≙ pmax.zul ∙ 95 %

= 22,9

[bar]

Feuerung Ausschaltpunkt

pF,aus ≙ pmax.zul ∙ 91 %

= 21,9

[bar]

Mittlerer Betriebsüber­druck

pm ≙ pmax.zul ∙ 83 %

=

[bar]

Feuerung Einschaltpunkt

pF,ein ≙ pmax.zul ∙ 75 %

= 18,1

[bar]

Standardwert für Warmhaltung über Heizschlange = Mittlerer Betriebsüber­druck / 2

pWarmh ≙ pm ∙ ~ 50 % ≅ 42 %

= 10,1

[bar]

Somit ergibt sich:

  • Der kleinste benötigte maximal zulässige Betriebsüberdruck pmax,zul des Kessels aus dem mittleren Betriebsüberdruck pm, welcher aus den betrieblichen Anforderungen abgeleitet wurde.
 
Berechnung

Formel zur Ermittlung des kleinsten benötigten maximal zulässigen Betriebsüberdrucks

Beispielrechnung zur Ermittlung des kleinsten benötigten maximal zulässigen Betriebsüberdrucks

pmax,zul = pSIV [bar]83 % = 15,7 [bar]

  • Der höchste mittlere Betriebsüberdruck pm,max des Kessels aus dem maximal zulässigen Betriebs­überdruck pmax,zul des Kessels:
 
Berechnung

Formel zur Ermittlung des höchsten mittleren Betriebsüberdrucks

pm,max ≤ pmax,zul ∙ 83 % = pSIV ∙ 83 %

Beispielrechnung zur Ermittlung des höchsten mittleren Betriebsüberdrucks

pm,max [bar] ⋅ 83 % = 13,3 [bar]
Schema des Druckverlaufs mit Schaltpunkten bei Dampfkesseln mit 13,3 bar mittlerem Betriebsüberdruck

Schema des Druckverlaufs mit Schaltpunkten bei Dampfkesseln mit 13,3 bar mittlerem Betriebsüberdruck

In der Kesselsteuerung können in gewissen Grenzen auch andere Abstufungen für den mittleren Betriebsüberdruck gewählt werden.

Übrige Anlagenteile

Neben dem Kesselkörper selbst ist auch der maximal zulässige Betriebsüberdruck und die maximal zulässige Temperatur aller direkt am Kessel angeschlossenen Bauteile und Baugruppen zu beachten (z. B. Armaturen, Sensoren, Rohrleitungen, Dichtungen, Apparate). Beachten Sie hierzu auch die Druck-Temperaturkurve für Flansche nach EN 1092-1.

Wenn im Dampfsystem Verbraucher angeschlossen werden, die einen niedrigeren zulässigen Betriebs­überdruck haben als der Dampfkessel, müssen diese durch eigene Sicherheits­ventile oder durch dazwischen geschaltete Druckreduzierstationen mit Sicherheits­ventilen ausgerüstet werden.

Information

Sicherheiten bei der Auslegung

Die Differenz zwischen dem ermittelten pmax,zul und dem maximal zulässigen Überdruck der nächsthöheren Kessel­druckstufe kann bereits als Auslegungssicherheit betrachtet werden. Sollte darüber hinaus noch zusätzliche Auslegungssicherheit für den Druckbereich benötigt werden, kann dies durch die Wahl einer entsprechend höheren Kessel­druckstufe erfolgen.